von Julia Axthelm

Als Kind das Leben gespielt und später das Wichtigste vergessen

Geboren,
laute Geräusche an Ohren,
das Licht der Welt
grellt,
große Hand, die einen hält,
erste Stunde
als Mensch
auf der Welt.

Schnell gelernt zu lieben,
die vertrauten Gesichter der Eltern, die sich ins Blickfeld schieben,
ruhigen Atem, wenn sie neben einem liegen.

So viel gelernt, in diesen Tagen und Stunden,
dem Gedächtnis längst entschwunden.
So viel gespürt, gehört, gesehen, gerochen und gefragt,
woher das alles kommt, was das alles ist.

Und damit den besten Freund entdeckt:
Die Welt.
Auf der Wiese krabbelnd,
sich mit Grashalmen kabbelnd,
durch die Luft springend,
mit der Schwerkraft ringend,
auf diese Weise, neugierig leise,
lachend erwachend den besten Freund gefunden und sofort geliebt.
Manchmal verwirrt,
denn je größer man wird,
desto mehr sieht man, liebt man,
lernt man kennen.
Und lernt allmählich,
die bloße Erde
von den darauf Weilenden zu trennen.
Oder zumindest diese gewisse Spezies, Mensch, ein wenig zu separieren,
skeptisch zu inspizieren.

Denn es lässt einen auflauschen,
hört man die Eltern auf einmal ernste Worte tauschen,
über Tiernutzung,
und Umweltverschmutzung,
und erfährt roden bedeutet Bäume töten,
erfährt von Abgasen und Tieren in Nöten.

Und Sorge kommt auf, um die geliebte Erde,
in kindlichem Eifer werden Pläne geschmiedet,
der kindliche Eifer, die kindliche Sicht, spar Strom, spar Wasser, ein Tag ohne Licht.

Man sieht zu und sieht immer mehr Krisen auf immer weniger Wiesen.
Je älter ich werde desto kaputter die Erde,
und ich frage,
ist es schon so weit,
dass es wahr ist,
wenn ich sage:
Mein bester Freund
liegt im Sterben.

Kinder.
Sie spielen.
Lieblich.
„Ich lieb dich“,
sagt ein kleines Kind
im Park zur Erde.
„Ich krieg dich“,
ruft ein kleines Kind
im Park
zu einem anderen kleinen Kind
und tötet es im Spiel.

Plastikgewehre im Kinderzimmer,
Papiergeld wandert durch Kinderhände,
Profitgedanken in Kinderköpfen.
Ich gewinne,
Du verlierst,
in einem Zimmer, brummt das Kind lauthals an der Autorennbahn,
im Hinterhof nebenan pflanzen Kinder einen Samen.

An der Straßenecke setzt sich ein erwachsen gewordenes Kind hinter das Steuer des SUVs,
tausend Kilometer weiter das Militärkommando „schieß.“.

Plastikgewehre werden geladene Waffen und Papiergeld wird ein Konto.
Gewinnen und verlieren bedeutet höher-schneller-weiter und stagnieren.

Früher war Feuer-Wasser-Sturm nur ein Spiel.
Aber wahrscheinlich wurde es in der Schule gespielt, weil zu Hause zu viel Monopoly gespielt wurde.

Monopoly wird das richtige Leben,
und Feuer-Wasser-Sturm mit dazu.

In Anzügen wollen sie Profitstreben leben,
aber die Anzüge können wegsehen,
wenn hunderttausend Kilometer weiter,
die Flammen schon die Kronen lecken,
wenn Wellen schon die Dächer decken,
müssen nicht dort Gemüse anbauen,
wo Schornsteine aus dem Wasser schauen,
und sie sind auch kein Eisbär,
der im Meer
ertrinkt.
Sie sind nur triebgesteuerte Menschen,
denen Profit und Besitzen ein Locklied singt.
Und mit ihren Händen greifen sie nach Geld,
weil in ihrer Welt Geld gilt,
es in den Händen zu halten,
in den kalten, erwachsen gewordenen Kinderhänden,
die statt Kletterbäumen und Freigeisterträumen
nun
Gesetztesentwürfe in den Händen halten,
mit denen sie unsere Zukunft, unser Leben verwalten.
Kinderherzen erkalten und erwachsen gewordene Kinderaugen,
prüfen, ob die Gesetzte ihren Interessen taugen.
An ihren Interessen bemessen können die Kraftwerke gern weiterhin Kohle fressen,
können wir Co2 Neutralität und damit unsere Zukunft vergessen,
weil sie sich zieren, zu demonstrieren,
dass man seine Denkweise auch überdenken kann,
und sich lieber im Nachhinein damit blamieren,
ihren Namen unter das Todesurteil für unsere Erde geschrieben zu haben,
diese Buchstaben, die ihnen vorhalten werden:
Du hast deinen Luxus
einer lebenswerten Zukunft vorgezogen,
Du bist gegen deine eigene Lebensgrundlage in den Krieg gezogen,
Du hast gesagt: „jaja, toll macht ihr das“,
zu den Kindern, die sich heiser geschrien haben, „wir wollen eine Zukunft haben“,
zu denen hast du gesagt, „ach toll“,
und dann nichts weiter Sinnvolles getan,
weil es so viel einfacher war,
einfach zu unterschreiben,
dass nicht alle Dörfer bleiben,
nicht alle Wälder bleiben,
dass die Meere irgendwann voll Plastik und ertrunkener Eisbären treiben,
und weil Du wahrscheinlich eh nicht mehr auf der Erde verweilst,
wenn es Zeit wäre, dass du mitteilst,
„Ach ja, das war wohl eine dumme Idee, diese Gesetze vom Klimakabinett.“
Wenn es Zeit wäre, das mitzuteilen,
dann wird es eh jeder verstanden haben,
und dann wird jeder die Ängste spüren,
die an manchen Herzen schon jetzt Tag für Tag rühren.
Die Angst und die Enttäuschung darüber,
wie vielen Leuten es egal zu sein scheint,
dass getötet, zerstört und damit einfach nicht aufgehört wird.
Die Verzweiflung, weil es für so viele Menschen unmöglich zu sein scheint diesen Satz zu sagen:
„Ja, ich bin mit meiner Denkweise auf dem Holzpfad, auf diese Weise wird es keine lebenswerte Zukunft geben.“
Ich glaube es ist ein enormer Anteil, von Menschen die genau das im tiefsten Inneren wissen.
Wenn ihr das aussprechen würdet, das wäre keine Blamage,
es wäre unglaubliche Courage,
die es euch ersparen würde, später mit eurer Unterschrift Teil der Tatenlosen zu sein.

Die erwachsenen Augen lesen den Gesetztesentwurf,
der vorgaukelt, die Zukunft retten zu wollen.
Er wird dafür nicht reichen und der Lesende weiß das.
Der Lesende weiß auch, dass alle anderen es wissen.
Doch was soll er noch mit Zukunft und was soll er noch ändern,
sein Ruf bei der Jugend ist eh schon Zerschlissen,
die Umweltverschmutzung hat er auch auf dem Gewissen.
Er könnte kurz innehalten und übers Gewinnen nachdenken.
Er könnte es einmal wagen, den Blick zu den Kindern zu senken.
Könnte einmal überlegen, wie viel Bedeutung man Geld beimessen kann,
könnte einmal fragen:
Was genau passiert denn dann?
Wenn er dieses Gesetz unterschreibt?
Wenn er jetzt kurz innehalten würde, würde ihm einfallen, dass an jedem Kindertag
auch er gern auf der Wiese lag,
und sein bester Freund auf der Welt wohl die Welt selber war.
Wenn er jetzt kurz aus dem Fenster in den Himmel schauen würde
und ihm auffallen würde, wie wunderbar, wie wunderbar das Leben ist.
Ein erwachsenes Kind vergisst, vergisst das alles und unterschreibt.
Unterschreibt das Todesurteil für seinen ehemals besten Freund.

Lebensfreude,
und Liebe,
Gefühle, die mich Visionen spinnen lassen,
die mein Herz fassen und mich wissen lassen,
dass ich das erhalten will.
Dass ich nicht still zusehen kann, nicht stumm bleiben kann,
wenn um uns herum Menschen entscheiden,
dass sie die Anstrengung etwas zu verändern um jeden Preis vermeiden,
selbst wenn der Preis die Erde ist.
Ihr unterschreibt mit eurem Namen jeden Schritt in Richtung Elend,
weil ihr keine Visionen mehr kennt.
Und wir schreien euch an, hört ihr das nicht, weil niemand das ertragen kann, zuzusehen,
wie Menschen das Leben der Erde verkaufen gehen.

Eure Namen werden unter dem Urteil über unsere Erde und wir werden auf der Straße stehen,
weil in uns genug Hoffnung lebt, nicht aufzugeben, solange noch etwas zu ändern ist.

In Gedanken an eine Apokalypse, werde ich selbst dann noch genug Hoffnung haben,
mir zu wünschen, dass an der Metapher, „sich in Tränen auflösen“ etwas Wahres ist,
um nicht dabei zuzusehen, wie etwas, das man so sehr liebt sein Ende nimmt.
Und ihr im letzten Moment noch euren Kontostand abstimmt.

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